Heinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach

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Heinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach
Ludwig Reichenbach um 1860

Heinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach (* 8. Januar 1793 in Leipzig; † 17. März 1879 in Dresden) war ein bedeutender sächsischer Naturwissenschaftler. Neben seinem Spezialgebiet, der Botanik, blieb er zeitlebens allen Gebieten der Naturkunde verbunden.

[Bearbeiten] Leben und Wirken

Ludwig Reichenbach war der älteste Sohn des Konrektors der Leipziger Thomasschule Johann Friedrich Jakob Reichenbach (* 24. Januar 1760 in Großmonra; † 17. Oktober 1839 in Zöbigker).[1] Er hatte eine Schwester und vier Brüder, darunter den Naturkundler Anton Benedict Reichenbach (* 1807 in Leipzig; † 1880).[2]

Reichenbachs Interesse an der Botanik wurde schon im Elternhaus durch Johannes Hedwig, einen Botaniker und Freund des Hauses, geweckt. Nach dem Besuch der Thomasschule studierte er ab 1810 an der Universität Leipzig Medizin und Naturwissenschaften. Als angehender Arzt musste er helfen, die vielen Verletzten der Völkerschlacht von 1813 zu versorgen. Nach der Schlacht grassierten Seuchen und auch Reichenbach erkrankte an Typhus. Er promovierte 1815 in Philosophie und 1817 in Medizin mit einer Arbeit zur Bedeutung der Flora für die Pharmazie. Anschließend arbeitete er als praktischer Arzt und hielt als Dozent Vorlesungen über die Flora Sachsens. 1818 wurde er zum außerordentlichen Professor der Medizin ernannt.

Reichenbach heiratete 1820 in Leipzig Friedrike Wagner († 1867). Das Ehepaar hatte eine Tochter und zwei Söhne. Ebenfalls 1820 erhielt Reichenbach den Ruf als Ordinarius für Naturgeschichte, d. h. für Mineralogie, Botanik, Zoologie, an die Chirurgisch-medicinische Akademie in Dresden.[3] Gleichzeitig übernahm er die Leitung der Naturhistorischen Sammlungen im Zwinger. Im selben Jahr gründete er zudem mit der Unterstützung des Gärtners Carl Adolf Terscheck den Botanischen Garten als eine Einrichtung der Chirurgisch-medicinischen Akademie in den alten Wallanlagen zwischen Pirnaischem Platz und Brühlscher Terrasse, wo er vorwiegend systematische Studien durchführte. Der botanisch interessierte Friedrich August der Gerechte war sein wichtigster Unterstützer. In seinem letzten Dekret 1827 verlieh er Reichenbach den Titel Hofrat. Auch an der Privatschule von Karl Justus Blochmann erteilte er Unterricht.

Reichenbach gilt als bedeutender Systematiker; sein Credo zur naturwissenschaftlichen Systematik formulierte er selbst: "Meine Ueberzeugung, dass von dem Werthe, auch einer kleinen Gattung und von ihrer Stellung, wie von Systematik überhaupt, niemals die Rede sein kann, bevor man nicht alle zu ordnenden Glieder in klarbewusster Anschauung vor sich vereint sieht, entspricht meiner Ansicht von der hohen Bedeutung des Begriffs System der Natur, welches ich als den innigst durchgreifenden Zusammenhang des Einzelnen in seinen bestimmten und nothwendigen Beziehungen zu seinem Ganzen betrachte."[4]

Am 28. November 1820 nahm die Leopoldina Reichenbach als Mitglied auf. Er war von 1826 bis 1843 Gründungsvorstand der FLORA - Sächsische Gesellschaft für Botanik und Gartenbau, Initiator des 1834 gegründeten Dresdner Tierschutzvereins, 1836 bis 1866 Vorsitzender der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS, um 1838 gehörte er dem Dante-Komitee des späteren König Johann an und von 1844 bis 1846 war Reichenbach Vorsitzender der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Außerdem gehörte er als Vorstand der Ökonomischen Gesellschaft im Königreiche Sachsen und der Dresdner Schillerstiftung, als Komiteemitglied der Tiedge-Stiftung sowie als Mitglied dem Literarischen Verein, der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte[5] und der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft an.

Mit dem Regierungsantritt von Friedrich August II. im Jahre 1836 stand Reichenbach wieder in der besonderen königlichen Gunst. Gemeinsam gestalteten sie den Park von Schloss Pillnitz. Die revolutionären Ereignisse ab 1848 und der Tod von Friedrich August II. hinterließen tiefe Einschnitte in Reichenbachs Leben. Von 1848 bis 1850 übernahm er nach dem politisch motivierten Rücktritt von Emil Adolf Roßmäßler, zu dessen wichtigsten Förderern er zählte, vertretungsweise das Fach Zoologie an der Forstakademie Tharandt.[6] Die Zerstörung seiner Sammlungen im Zwinger während des Maiaufstands 1849 und der Tod des Königs 1854 ließen ihn aber zunehmend verbittern. Aus vielen Vereinen schied er im Streit. Dies eskalierte, als er sich nach dem Tod von Carl Gustav Carus im Jahre 1869 quasi selbst als dessen Nachfolger in der Führung der Leopoldina ernannte. Zu Reichenbachs bleibenden Leistungen für die Stadt in dieser Zeit zählen 1857 die Gründung des Mineralienkabinetts unter Hanns Bruno Geinitz aus den Naturhistorischen Sammlungen heraus und vor allem die Gründung des Zoologischen Gartens, die er federführend bis 1861 für den Verein für Hühnerzucht betrieb.[7]

Reichenbach leitete die Naturhistorischen Sammlungen bis 1874[8] und den Botanischen Garten bis zu seinem Tode. Den Lehrstuhl an der Chirurgisch-medizinischen Akademie behielt Reichenbach bis 1864. Von 1853 bis 1874 lehrte er Botanik an der königlichen Tierarzneischule. Als Lehrer war er seiner Zeit voraus, weil er sich speziell um die Förderung von Behinderten bemühte.

Reichenbach wohnte in Dresden zunächst Am Altmarkt, dann im Italienischen Dörfchen, Taschenberg 3 und später Kleine Schießgasse 4.[9] Nach seinem Tod wurde er auf dem Trinitatisfriedhof beigesetzt. Sein Sohn Heinrich Gustav Reichenbach (* 3. Januar 1824 in Dresden; † 6. Mai 1889 in Hamburg) übernahm 1863 die Leitung des Botanischen Gartens Hamburg. Der Sohn Ludwig Reichenbach wurde praktischer Arzt in Tiflis.[10]

[Bearbeiten] Ehrungen

Straßenschild
Lithografie nach einer Zeichnung von Reichenbach aus Vollständigste Naturgeschichte des In- und Auslandes

Die Reichenbachstraße und die 117. Grundschule tragen seinen Namen.[11] 2011 wurde auf dem Trinitatisfriedhof als Ersatz für das verlorene Grab eine Gedenkstele eingeweiht.

[Bearbeiten] Werke (Auswahl)

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Artikel „Reichenbach, Johann Friedrich Jakob“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 669–670
  2. Anton Benedict Reichenbach im Karl-May-Wiki
  3. Caris-Petra Heidel, Marina Lienert: Die Professoren der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden und ihrer Vorgängereinrichtungen 1814-2004. Walter de Gruyter, 2005
  4. Denkschriften der Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis, Dresden, Verlag R. Kuntze, 1860
  5. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Dresden, 1826
  6. Die Vorgänger der Forstzoologie in Tharandt seit der Gründung der Forstakademie zu Tharandt am 17.06.1816
  7. Annelore Rieke-Müller, Lothar Dittrich: Der Löwe brüllt nebenan: die Gründung zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833-1869, Böhlau, 1998
  8. Carsten Kretschmann: Räume öffnen sich: naturhistorische Museen im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Band 12 von Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Akademie Verlag, 2006
  9. Adressbücher der Stadt Dresden
  10. Das Reichenbach-Herbar. Im Herbarium des Heidelberger Botanischen Gartens (HEID)
  11. Ludwig Reichenbach bei der 117. Grundschule

[Bearbeiten] Weblinks

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